Warum überhaupt und wieso es oft schwierig ist

ADHS Diagnose
bei Erwachsenen

Es gibt viele Punkte, die auch bei Erwachsenen für eine offizielle ADHS Diagnostik sprechen.

Es kann jedoch aus mehreren persönlichen und emotionalen Gründen schwierig sein, sich dafür zu entscheiden und es bis zur Diagnose zu schaffen.

ADHS Grafik Arzt | ADHS Leben

Was ich in der Selbsthilfe und im Coaching oft höre:

  • Ich bekomme sowieso keinen Termin.
  • Es ist ja garnicht soooo schlimm bei mir.
  • Ich schaffe es nicht mir das alles zu organisieren
    und bin damit überfordert.
  • Was mache ich nach der Diagnose?
  • Was soll mir das bringen oder was ist dann anders?
  • Ich möchte nicht mit ADHS abgestempelt werden.
  • Muss ich dann „normal“ werden?

Also möchte ich hier einige Gedanken beschreiben, die ich selbst teilweise auch vor der Diagnose hatte.
Vielleicht erkennst DU dich ja darin und kannst deine eigenen Gefühle dazu so besser einordnen.

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mögliche persönliche Schwierigkeiten dabei

Ich verstehe, dass die Situation für Erwachsene – die bei sich ADHS vermuten – oft sehr komplex und emotional aufgeladen ist. Sie leben ja schon immer damit und kennen es daher nicht anders. Auch die Symptome von ADHS selbst, können ein erschwerender Faktor bei diesem Vorhaben sein. Meist hat sich über die Jahre zusätzlich ein ganzer Haufen an Selbstzweifel, Fremdbewertung, Scham und weiteren Themen angesammelt, die den Schritt zusätzlich erschweren.

Also schauen wir uns hier die einzelnen Aspekte der Herausforderungen mal genauer an.

Sorge wegen einer Stigmatisierung

Trotz größerem Bewusstsein für psychische Gesundheit bleibt ein gewisses Stigma gegenüber ADHS, besonders bei Erwachsenen. Die Vorstellung, dass ADHS nur „etwas für Kinder“ sei oder dass man „einfach faul ist“, hält sich hartnäckig.

Diese Stigmatisierung kann es schwierig machen den Schritt zur Diagnose zu gehen.
Viele haben Angst als „krank“ abgestempelt zu werden oder dass Freunde, Familie oder Kollegen sie anders behandeln könnten. Die innere Unsicherheit darüber, wie das Umfeld mit einer Diagnose umgeht, kann bei Betroffenen zum Aufschieben oder Vermeiden führen.

Doch es ist wichtig zu wissen:
ADHS ist eine neurologische Bedingung – kein Zeichen von persönlichem Versagen!
Oft erleben Betroffene, dass Menschen in ihrem Umfeld mit Verständnis reagieren, wenn sie offen über ihre Diagnose sprechen. Es kann auch das Gefühl der Isolation lindern, wenn man erfährt, dass man nicht allein mit seinen Herausforderungen ist.
Und zuletzt, Niemand ist verpflichtet nach einer Diagnose diese dem Umfeld mit zu teilen. Es hilft bei solchen Ängsten oft, die Diagnose erstmal für sich zu behalten, bis man sich damit sicherging fühlt sie zu kommunizieren!

Selbstzweifel und Unsicherheiten

Viele Erwachsene mit ADHS haben gelernt, ihre Symptome herunterzuspielen, zu verbergen oder zu rechtfertigen. Sie fragen sich vielleicht:

  • „Bin ich wirklich betroffen, oder bin ich vielleicht doch nur faul?“
  • „Jeder hat doch manchmal Schwierigkeiten sich zu konzentrieren. Ist das wirklich so ungewöhnlich bei mir?“

Diese Selbstzweifel können lähmend sein und davon abhalten, Hilfe zu suchen.
Ein Teil des Problems ist, dass ADHS sehr variabel ist. Wir funktionieren in gewissen Bereichen überdurchschnittlich gut und haben dennoch große Schwierigkeiten in anderen. Oder die Symptome sind nicht ständig präsent, sondern tauchen nur in bestimmten Situationen auf, was zu Verwirrung führen kann.

Unkenntnis über ADHS bei Erwachsenen

Viele Erwachsene sind überrascht, dass ADHS sie überhaupt betreffen könnte.
Die Idee hält sich hartnäckig, dass hauptsächlich Kinder betroffen sind. Doch ADHS ist ein lebenslanges Syndrom, das im Erwachsenenalter meist fortbesteht. Auch wenn sich die Form der Symptome im lauf des Lebens ändern kann. Manchmal übersehen Betroffene die Verbindungen zwischen ihren Problemen – wie Unruhe, Vergesslichkeit, impulsives Handeln oder emotionale Empfindlichkeit – und ADHS.

Der fehlende Zugang zu Informationen kann dazu führen, dass man die eigene Lebenssituation jahrelang falsch versteht und keine Hilfe in Betracht zieht. Aufklärung ist hier der Schlüssel um mehr Menschen Hilfe zu ermöglichen.

Exekutive Dysfunktion und emotionale Dysregulation

Menschen mit ADHS haben oft Schwierigkeiten mit der sogenannten exekutiven Funktion – den Fähigkeiten, die wir brauchen, um unser Leben zu planen und zu organisieren. Selbst einfache Aufgaben wie einen Arzttermin zu vereinbaren, Papiere zu sortieren oder den Tagesablauf zu strukturieren, können überwältigend sein.

Diese Herausforderungen, gepaart mit emotionaler Dysregulation – etwa dem Gefühl, schnell überfordert oder gereizt zu sein – machen es schwer, den ersten Schritt zu gehen. Viele von ADHS Betroffene neigen dazu Dinge aufzuschieben, weil sie sich emotional oder organisatorisch überfordert fühlen. Selbst dann noch wenn sie wissen, dass der Test oder die Diagnose ihnen helfen könnte.

Angst vor Veränderung

Veränderung kann beängstigend sein, selbst wenn sie positiv ist.
Die Vorstellung, dass eine Diagnose das eigene Leben verändern könnte, kann Unsicherheiten auslösen. Die Idee vielleicht Strategien umstellen oder Medikamente nehmen müsste stresst die Betroffenen. Manche haben auch Angst, dass eine Diagnose ihr Selbstbild verändert. Sie zweifeln, ob sie wirklich bereit sind diesen Weg zu gehen.

Veränderung ist oft der Schlüssel zu einem besseren Leben.
Der Schritt zu Diagnose und Behandlung ermöglicht es allmählich die Kontrolle zurückzugewinnen und nicht länger das Gefühl zu haben, dass das Leben „chaotisch“ oder „außer Kontrolle“ ist.

Sorge vor steigendem Anspruch und dem Druck „normal“ zu werden

Eine Diagnose bringt oft Hoffnung auf Besserung. Sie kann aber auch – vermeintlich – den Druck verstärken.
Viele Betroffene haben Angst, dass nach der Diagnose die Erwartungen – sowohl von Anderen als auch von ihnen selbst – steigen. Sie könnten das Gefühl haben, dass sie ab dem Moment in dem ADHS diagnostiziert wird, plötzlich „funktionieren“ müssen. Derartige Gedanken können eine enorme Last darstellen.

  • „Jetzt weißt du ja, was los ist – also gibt es keine Ausreden mehr.“
  • „Jetzt müssen sich alle Probleme sofort lösen.“
  • „Ab jetzt solltest du endlich normal sein.“

Dieser erhöhte (Selbst-)Anspruch kann die Angst vor Enttäuschungen verstärken, wenn Verbesserungen nicht sofort oder nicht in dem erhofften Ausmaß eintreten. Eine Diagnose ist jedoch nur der erste Schritt. Es ist wichtig zu verstehen, dass der Umgang mit ADHS ein kontinuierlicher Prozess ist.
Es braucht etwas Zeit um herauszufinden, welche Strategien und Behandlungen für einen selbst funktionieren.

ADHS-Betroffene haben oft Jahre oder Jahrzehnte damit verbracht, sich an ihre Symptome anzupassen. Es ist also nicht realistisch, dass sich alles sofort ändert. Auch nach der Diagnose gibt es Herausforderungen. Die Idee sofort „besser“ oder „normal“ zu sein, lässt uns – uns selbst gegenüber – strenger werden.
Das ist aber genau das Gegenteil von dem, was eigentlich hilfreich und angebracht wäre – nämlich Selbstakzeptanz und Geduld.

Es ist wichtig sich bewusst zu machen, dass ADHS nicht „weggeht“, sich aber besser bewältigen lässt. Die Diagnose ist ein Werkzeug zur Selbstermächtigung, keine Messlatte für ein Level an Perfektion, dass es zu erreichen gilt. Der Druck sich schnell zu verbessern, sollte durch Verständnis ersetzt werden – vom Umfeld wie auch sich selbst gegenüber. Veränderung erfolgt Schritt für Schritt und jeder Erfolg auf diesem Weg zählt.

Ja, der Weg zur Diagnose erfordert Mut, Willen, Durchhalten und Energie!
Doch er führt zu mehr Klarheit, besserer Selbstakzeptanz und konkreten Lösungen um Herausforderungen im Alltag zu bewältigen.
Sind die Barrieren erst überwunden, öffnet die Diagnose den Weg zu gezielter Behandlung. Sie ist für Betroffene daher erleichternd, bis lebensverändernd.

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Warum ich trotzdem zur Diagnose raten möchte

Sich als Erwachsener bei Verdacht auf ADHS testen zu lassen ist ein wichtiger Schritt. Er ermöglicht ein besseres Verständnis für das eigene Verhalten und die eigenen Herausforderungen zu entwickeln.

Eine ADHS-Diagnose kann das Leben in vielerlei Hinsicht positiv beeinflussen:

eigene Wahrnehmung

Für viele Erwachsene die erst spät auf die Idee kommen, dass ADHS eine Rolle in ihrem Leben spielen könnte, ist die Suche nach einer Diagnose der Wendepunkt. Bis dahin haben sie vielleicht oft das Gefühl gehabt, „nicht gut genug“ oder „einfach faul“ zu sein und „immer wieder zu versagen“, obwohl sie sich bemüht haben.
Sie fragen sich:

  • Warum fällt es mir so schwer mich zu konzentrieren, obwohl ich es wirklich will?
  • Warum bin ich emotional so empfindlich, wenn andere anscheinend besser damit umgehen können?
  • Warum kann ich meine Aufgaben so schlecht zu Ende bringen?
  • Wieso fallen mir manche Sachen so schwer – bei den Anderen sieht es so leicht aus?

Eine Diagnose bringt eine Erklärung für diese Gefühle. Das es nicht eine Frage von Willensstärke ist – sondern dass das Gehirn einfach anders arbeitet – hilft ungemein. Dies kann eine große Erleichterung und ein Schritt hin zur Selbstakzeptanz sein. Menschen mit ADHS tendieren dazu, sich selbst sehr hart zu bewerten. Wie hart sie mit sich selbst ins Gericht gehen, ist für Aussenstehende oft kaum vorstellbar. Das Wissen um die Störung gibt ihnen aber die Möglichkeit, sich selbst mit mehr Mitgefühl, Verständnis, Wohlwollen und weniger Urteil zu betrachten.

    Möglichkeit zur Behandlung

    Viele spät diagnostizierte Erwachsene hatten bereits über Jahre hinweg Schwierigkeiten, ohne zu wissen was sie so derartig blockiert und belastet. Der Gedanke an eine mögliche Behandlung – ob durch Medikamente, Therapie oder Coaching – kann endlich neue Hoffnung machen.

    Es kann aber auch Zweifel oder Ängste auslösen:

    • „Was, wenn die Behandlung nicht funktioniert?“
    • „Was, wenn Medikamente mich verändern?“
    • „Machen mich ADHS Medikamente abhängig?“

    Es ist wichtig zu wissen, dass jede Behandlung individuell angepasst wird. Medikamente können helfen und nehmen einem auch nicht die Kreativität, Energie oder alle Eigenheiten weg. Gute Therapeut:innen oder Coach:innen können passende Techniken anbieten um Struktur in den Alltag zu bringen, die Selbstorganisation zu verbessern und mit emotionalen Schwankungen entspannter umzugehen. Jeder kleine Erfolg erleichtert Herausforderungen und steigert die Lebensqualität.

    Verbesserung der Lebensqualität

    ADHS kann in vielen Bereichen des Lebens Hindernisse schaffen: bei der Arbeit, in Beziehungen, im Umgang mit Geld oder im Zeitmanagement. Oft haben Betroffene viele dieser Herausforderungen lange mit sich herumgetragen und versucht mit „normalen“ Methoden damit umzugehen. Meist leider nur mit mäßigem oder nicht anhaltendem Erfolg. Letztendlich bleiben sie ohne Erklärung dafür, warum diese nicht funktionieren.

    Eine Diagnose und gezielte Behandlung können eine neue Perspektive bieten:

    • Medikamente sind eine wirklich gut erforschte und bei 80% der Betroffenen funktionierende Option. (Kein anderes Medikament in der psychiatrischen Behandlung hat so gute Erfolgsquoten.)
    • Plötzlich gibt es Werkzeuge und Techniken, die auf das spezifische Problem zugeschnitten sind.
      – Man lernt wie und wann man Pausen macht – bevor die Überforderung kommt.
      – Wie man Prioritäten setzt wenn (oder auch bevor) alles zu viel wird.
      – Die Aufmerksamkeit (soweit möglich) zu triggern.
      – Sich selbst und die eigenen Verhaltensmuster zu verstehen.

    Eine allmähliche Steigerung der Lebensqualität bedeutet nicht nur, dass der Alltag einfacher wird. Sie gibt einem auch mehr emotionalen Raum für sich selbst. Man ärgert sich weniger, wird geduldiger und nachsichtiger sich selbst gegenüber.

    Selbstakzeptanz

    Viele Menschen mit ADHS haben eine Geschichte von „zu viel“ oder „nicht genug“:
    zu unruhig, zu impulsiv, zu sensibel, zu laut oder nicht organisiert genug, nicht konzentriert genug, nicht erfolgreich genug.
    Diese Gefühle können sich über Jahre hinweg zu einem Gefühl der Minderwertigkeit entwickeln. Eine Diagnose bedeutet, dass diese Aspekte des eigenen Verhaltens endlich verstanden und erklärt werden.

    Das ist meist ein sehr spannender, emotional fordernder, aber auch unglaublich schöner Prozess.

    Ich hatte nach meiner Diagnose das Gefühl mich – zum ersten mal in meinem Leben – tatsächlich selbst kennen zu lernen. An manchen Tagen kommt dieser Eindruck auch heute noch hervor. Eine unbeschreibliche Erfahrung nach all den Jahren „ich tick halt anders“, vielleicht bin ich ja wirklich einfach „faul, inkonsequent und unfähig“. Die Hoffnung zu spüren, dass ich jetzt endlich eine faire Chance auf ein besseres Leben habe, war überwältigend.
    Das ist eine Erfahrung, die ich allen Menschen mit ADHS nur wünschen kann!
    Marie-Theres von ADHS Leben

    Selbstakzeptanz kommt aber nicht über Nacht. Oft ist es ein langsamer Prozess bei dem man lernt seine Besonderheiten nicht als Mängel, sondern als Teil der eigenen Identität zu sehen. ADHS bringt auch positive Seiten mit sich wie Kreativität, Empathie oder die Fähigkeit sich in bestimmten Bereichen leidenschaftlich zu engagieren.

    Es ist aus mehreren Gründen nicht leicht für Erwachsene sich um eine ADHS Diagnose zu bemühen – doch es lohnt sich ungemein!

    Es führt zu mehr Klarheit, besserer Selbstakzeptanz und erüöffnet konkreten Lösungen, um Herausforderungen im Alltag zu bewältigen.
    Sind die Barrieren erst überwunden, öffnet die Diagnose den Weg zu gezielter Behandlung.
    Sie ist für Betroffene daher erleichternd, bis lebensverändernd.

    Also BITTE traut euch, wagt den Schritt und lasst euch von diesem Weg nicht abhalten. Falls ihr dabei Unterstützung braucht, dann holt euch die.
    Ich begleite euch sehr gerne dabei, aber egal wo, wie und von wem.
    Hauptsache ihr geht los!

     

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